Wappen
Margaretha von Neuhausen
zusammengestellt von Sigrid Emmert
Ortsschild




Oberensinger Ortsgeschichte auf dem Alten Friedhof in Nürtingen.

Das Epitaph für Margretha von Neuhausen

Es gibt Grabinschriften, die mehr erzählen als es zunächst aus den Daten des beschränkten Raums eines Grabsteins erscheinen mag. Dazu gehört das Epitaph für Margretha von Neuhausen, das in die westliche Mauer des Alten Friedhofs in Nürtingen eingelassen ist. Die Begräbnisstätte liegt an der früheren Gemarkungsgrenze zu Oberensingen, dem Ort, wo man dieses Grabmal mit gleichem Recht vermuten könnte, denn alle drei erwähnten Personen gehören zur Oberensinger Geschichte.

„Anno Domini 1588“ beginnt die mit einiger Mühe zu entziffernde Umschrift des Grabmals. Es stammt aus der Zeit, als die Nürtinger ihre Toten an der Kreuzkirche bestatteten und gehört (als Nr.19 ) zu den 24 Sandsteinepitaphien, die 1839 auf den neuen Friedhof am Neckar versetzt wurden. Weiter heißt es: „1588 starb die Edel, Ehrn und tugendreiche Fraw Margretha Maierin von Speier, weilund des edlen, Vesten und Hochgelehrten Herrn Wilhelm von Newhausen, beeder rechten Doctoris, Fürstl. Württemb.Hof Gerichts Zu Tübingen Assessoris“. Es wird also von einer Verbindung berichtet, die in damaliger Zeit eher ungewöhnlich war. Der Junker Wilhelm von Neuhausen, ein Spross des Neuhausener Ortsadels auf den Fildern, nimmt eine Bürgerliche zur Frau. Liest man den Eintrag zu Margretha im Nürtinger Totenbuch, so wird sie dort als des „Assessoris im K. Cammergericht zu Speyhr selig nach gelassene wittip“ bezeichnet. Der Freiherr hatte seine 20 Jahre jüngere Frau demnach während seiner Tätigkeit in Speyer kennengelernt. Margretha Maier„gehörte einem armen Manne“, sei aber „ein bildhübsch Mensch gewesen. Da sie weder lesen noch schreiben konnte – in damaliger Zeit für Frauen nichts Außergewöhnliches - schickte der Junker sie während der Verlobungszeit „ in Hasephul in die Schule“. In dieser alten Speyerer Vorstadt lag ein Dominikanerinnenkloster, in dem schon früh Mädchen unterrichtet wurden.

Wilhelm von Neuhausen selbst hatte längere Bildungsreisen durch Italien und Ungarn in Tübingen, Wittenberg und zuletzt in Bologna studiert. Dort promovierte er 1540 zum „Doctor beeder Rechten“, das heißt im römischen und kanonischen Recht. Seit 1541 als Assessor am Reichskammergericht begleitete er einen der höchsten Posten, den es zu jener Zeit im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation für einen Juristen gab.

Nach 1550 nahm er seinen Abschied in Speyer. Möglicherweise hing dies auch mit den veränderten Herrschaftsverhältnissen in Württemberg zusammen. Herzog Ulrich war gestorben. Sein Nachfolger, Herzog Christoph, ernannte ihn zum Württembergischen Rat und Hofgerichtsassessor am württembergischen Hofgericht, das seinen Sitz in Tübingen hatte. Gleichzeitig belehnte ihn Herzog Christoph mit dem Oberensinger Burgstall, Ansprüche des Hans von Sperberseck auf den einstigen Familienbesitz waren durch dessen Tod im Jahr 1556 erloschen. Der Freiherr ließ die Burg  1558 von neuem errichten“, wie er auf einer heute noch gut lesbaren  Steintafel seines  neu gebauten Renaissanceschlösschens, dem sog. hinteren Schlössle, in lateinischer Sprache kundtut. „Für sich und seine Nachkommen“ heißt es da. Die letzteren stellten sich nicht ein. Umso mehr nahmen der Freiherr und seine Frau sich der Oberensinger Kinder als Paten an, wobei ihre katholische Konfession, der sie bis zu ihrem Tod treu blieben, offensichtlich im evangelischen Oberensingen kein Hindernis darstellte. Bisweilen übernahm von Neuhausen auch die Patenschaft zusammen mit der Herzoginwitwe Sabina. Herzog Christoph hatte seine Mutter nach dem Tod seines Vaters wieder ins Land geholt und ins Nürtinger Schloss gebracht. Man kann sich vorstellen, dass es zwischen der Herzoginwitwe und dem Juristen manche Berührungspunkte gab, da sie eine nahe Verwandte des Kaiserhauses war und Wilhelm seit seiner Speyerer Tätigkeit gute Kontakte zum Wiener Hof hatte. Ganz offiziell stand er ihr von 1561 bis zu ihrem Tod im Jahr 1564 als Hofmeister und Rat zur Seite.

Offensichtlich ist er zeitweise zur Ausübung seines Tübinger Richteramtes von Oberensingen abwesend. Dies geht aus den Nürtinger Spitalakten hervor, weil Boten entlohnt wurden, die zu ihm nach Tübingen geschickt werden mussten. Wegen der bekannt guten Verbindung zum Kaiserhof bediente sich das Spital seines Rates und seiner Hilfe als Vermittler für die Einholung des sog. Sielminger Lehens, das jeweils nach dem Tod eines Kaisers oder des Lehensträgers neu eingeholt werden musste. Ab 1572 amtierte er „von Haus aus“, eine damals übliche Form einer reduzierten Tätigkeit.

Ein interessantes Streiflicht auf das Leben im Schlösschen wirft das eher bescheidene Nachlassinventar des Freiherrn. Indes fällt eine relativ großzügige Ausstattung zur Bewirtung von Gästen auf. Es kann vermutet werden, dass die gebürtige Pfälzerin vielleicht die Triebfeder für ein gastfreies Haus war und nicht der Freiherr, der eher ein stiller Gelehrtentyp und Schöngeist  gewesen sein soll. 1577 stirbt der um 1504 geborene Wilhelm von Neuhausen. Er wird auf dem Friedhof in seinem heimatlichen Neuhausen auf den Fildern begraben.

Nach Ablauf des Trauerjahres heiratet seine Witwe den - wie es auf dem Epitaph heißt - „ Ehrnhaften Jacob Braunen, Gerichtsverwandten und Castenpfleger allhier“,. d.h.einen Kastenpfleger, dem die Verwaltung der Naturalabgaben an das Nürtinger Spital oblag. Er ist ein Sohn des Oberensinger Müllers und zwei Jahrzehnte jünger als Margretha. Als sie nach zehn Ehejahren 62 jährig stirbt, wird sie in Nürtingen begraben, dem damaligen Wohnsitz des Paares. Jakob Braun setzt der Verstorbenen – und damit auch sich - mit dem Epitaph auf dem Friedhof an der Kreuzkirche ein Denkmal, heiratet im gleichen Jahr die Witwe eines Vogtes und sollte nach deren Tod 1599 die Witwe eines fürstlichen  Hofmusikanten ehelichen. Als er selbst 1613 stirbt, wird er als langjähriger Schultheiß seines Heimatortes in der Oberensinger Kirche beigesetzt.

Schlossherren waren inzwischen die Verwandten Wilhelms aus Neuhausen, die allem Anschein nicht einzogen und 1643 auf ihr Oberensinger Lehen verzichteten.


Lit.: Werner Föhl, Ortsfamilienbuch Oberensingen 1558-1915, dt. OSB, Reihe A, Bd.549  CardaminaVerlag
 Eugen Efinger, Heimatbuch von Neuhausen, 1951 Verlag der Gemeinde Neuhausen
Roland Mayer, Notzingen, Unveröffentliche Manuskripte 
Walther Pfeilsticker, Neues württembergisches Dienerbuch (NWDB), o.J.
                                 Helmut Schwarz, Aus dem Archiv geplaudert 1983, Senner-Druck
                                     Sönke Lorenz, Andreas Schmauder (Hg.), Neuhausen auf den Fildern, Geschichte eines katholischen Dorfes, Filderstadt 2003





Stand
18.04.2013
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Gerhard Mayer
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